Tierperspektiven

26. April 2009 – 21. Juni 2009

1/2
1/2 Fotos: Marcus Schneider

Das Georg-Kolbe-Museum zeigt im aktuellen Darwinjahr zwei Ausstellungsprojekte, die sich mit dem Tier als Thema der Skulptur auseinandersetzen. Im Altbau des Museums, dem ehemaligen Atelier von Georg-Kolbe, werden Skulpturen und Installationen von KünstlerInnen der Gegenwart unter dem Titel „Tierperspektiven“ zu sehen sein.

Die Ausstellung nähert sich dem Tier in der zeitgenössischen Bildhauerei von verschiedenen Blickwinkeln, die alle auf besondere Weise an die Sinne der Betrachter appellieren und gewohnte Wahrnehmungskonventionen herausfordern. Bei aller Wandlung, der unsere Perspektive auf die Tiere unterworfen ist, bleibt eines der ursprünglichsten Fakten in der Tier-Mensch-Beziehung jedoch unverändert: Wir sehen Tiere an und Tiere blicken zurück. Diese gattungsüberschreitende Blickbeziehung wird auch in den Künsten immer wieder neu reflektiert und dies in besonderer Weise in der Bildhauerei. Aug in Auge mit häufig lebensgroßen und teilweise präparierten Tierfiguren kann der Betrachter seine eigenen Sichtweisen auf das Tier überdenken.

Zeitgleich dazu wird im Neubau des Museums ein „Bestiarium“ mit Tierplastiken aus dem 20. Jahrhundert aufgebaut.

Die Tierkunst streunt über die Mauern des Georg-Kolbe-Museums hinaus. Ein Teil der Schau wird im Projektraum Souterrain in den Sophie-Gips-Höfen in Berlin-Mitte zu sehen sein. Wer alles sehen will, muss mit der Herde ziehen und seinen Standpunkt im geografischen Sinne verändern. „Tierperspektiven“ kooperiert mit einem weiteren Ausstellungsort, der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) und dem Kino Arsenal: Die Kooperation mit der Ausstellung „Tier-Werden, Mensch-Werden“ in der NGBK in Berlin-Kreuzberg basiert auf konzeptionellen und kuratorischen Schnittmengen. Das Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. kuratiert eine Filmreihe in Kooperation mit „Tierperspektiven“ und „Tier-Werden, Mensch-Werden“.

Das Rahmenprogramm zu diesem vernetzten Tierprojekt umfasst ein international besetztes wissenschaftliches Symposium am 9. und 10. Mai, das nicht nur über aktuelle Tendenzen der „Animal Studies“, der geisteswissenschaftlichen Forschung zur Kulturgeschichte des Tieres, berichten, sondern auch zahlreiche KünstlerInnengespräche bieten wird. Außerdem wird es zwei Videoscreenings geben, bei denen selten gezeigte KünstlerInnenvideos zum Thema der Ausstellung vorgeführt werden. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

KünstlerInnenliste:
Edwina Ashton, Catherine Bell, Christian Boltanski, Chloe Brown, Wim Delvoye, Hugo Fortes, Anselmo Fox, Else Gabriel, Thomas Grünfeld, Susanne Lorenz, Katharina Moessinger, Benny Nero, Mariel Poppe, Bärbel Rothhaar, Ina Sangenstedt, Deborah Sengl, Susanne Starke
Kuratiert von Jessica Ullrich, Friedrich Weltzien; Mitkonzeption: Antonia Ulrich

Tierperspektiven Teil 2
Projektraum Souterrain (Sammlung Hoffmann)
29. Mai – 28. Juni 2009
Sophie-Gips-Höfe, Sophienstraße 21, 10178 Berlin,
www.souterrain-berlin.de
Eröffnung am 29. Mai 2009 um 19 Uhr

KünstlerInnenliste:
Annie Dunning, Volker Eichelmann, Anselmo Fox, Andrej Glusgold, Katharina Meldner, Katharina Moessinger, Julia Schlosser, Wolfgang Stiller
Kuratiert von Jessica Ullrich, Friedrich Weltzien, Heike Fuhlbrügge; Mitkonzeption: Antonia Ulrich

In Kooperation mit der Ausstellung Tier-Werden, Mensch-Werden in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst NGBK,
Oranienstraße 25,
10999 Berlin,
www.ngbk.de
Eröffnung 8. Mai 2009, 19 Uhr; Laufzeit: 9.5. – 14.6. 2009;
kuratiert von Jessica Ullrich, Friedrich Weltzien, Kassandra Nakas, Antonia Ulrich, Séverine Marguin, Heike Fuhlbrügge.

Ein vernetztes Berliner KuratorInnen- und AutorInnenteam (Jessica Ullrich, Friedrich Weltzien, Kassandra Nakas, Antonia Ulrich, Séverine Marguin, Heike Fuhlbrügge) entwickelte in verschiedenen Konstellationen ein verzweigtes Ausstellungsprojekt, das sich an unterschiedlichen Orten in der Stadt manifestiert: dem Georg-Kolbe-Museum, der NGBK, dem Projektraum Souterrain und in Kooperation mit dem Kino Arsenal.
Im Georg-Kolbe-Museum werden vorrangig dreidimensionale, figürliche Werke zu sehen sein. Viele Werke der beteiligten KünstlerInnen stellen einen Versuch dar, sich in die Persönlichkeit eines Tieres zu versetzen oder mit den Augen eines Tieres zu sehen. Dadurch werden Wahrnehmungskonventionen von Tier-Mensch-Beziehungen auf fruchtbare Weise – perspektivistisch – hinterfragt.

Eine Perspektive entsteht aus der Kombination von Blick und Standpunkt. Tiere sind in der Lage Blickwinkel einzunehmen, die uns Menschen zumeist verborgen bleiben. Frosch- und Vogelperspektive sind dafür nur zwei Beispiele, die es immerhin bis in unsere Alltagssprache gebracht haben. Die im wahrsten Sinne horizonterweiternde Schau widmet sich animalischen Sichtweisen in der zeitgenössischen bildenden Kunst. Aber wie blicken Tiere? In der Ausstellung bringen uns lebende Bienen und Schnecken einiges darüber bei, wildlebende Vögel werden in den Museumsgarten zum Kunstgenuss gelockt – aber auch ausgestopfte Exemplare und mythische Wesen wollen dem Besucher ihre eigenen Blickwinkel nahebringen. Auge in Auge mit häufig lebensgroßen und teilweise präparierten Tierskulpturen von u. a. Wim Delvoye, Thomas Grünfeld oder Deborah Sengl können die BetrachterInnen Ihre eigenen Sichtweisen auf Tiere überdenken.
Und nur wer seine Perspektive ändert, kann auch einen neuen Standpunkt einnehmen. Nicht zuletzt werden die BetrachterInnen zum Einnehmen und Variieren einer ganz eigenen – vielleicht zukunftsgewandten – Perspektive auf Tier-Mensch-Beziehungen aufgefordert.

Der zweite Teil der „Tierperspektiven“ im Projektraum Souterrain der Sammlung Hoffmann nähert sich dem Tier in der zeitgenössischen Bildhauerei und Installationskunst von verschiedenen Blickwinkeln. „Tier-Werden Mensch-Werden“ in der NGBK fokussiert die Ununterscheidbarkeitszone von Mensch und Tier und umfasst größer angelegte Werkgruppen internationaler Medienkünstler.

Zur Eröffnung sprachen die Kurator*innen Dr. Jessica Ullrich und Dr. Friedrich Weltzien und Dr. Marc Wellmann (Ausstellungsleiter des Georg-Kolbe-Museums).