Architektur
In den späten 1920er-Jahren schuf sich der Bildhauer Georg Kolbe sein Atelier- und Wohnhaus im Berliner Westend, stadtnah und zugleich am Rande des Grunewalds. Sein neuer Rückzugsort sollte der fruchtbaren Verbindung von Kunst, Natur und Architektur Raum geben, die zeitlebens große Bedeutung für ihn hatte. Durch seine Zusammenarbeit mit Architekten wie Ludwig Mies van der Rohe, Hans Poelzig, Bruno Taut und Walter Gropius nahm Kolbe lebhaften Anteil am Diskurs um die moderne Architektur. Insbesondere prägte ein starkes Interesse an der Beziehung von Skulptur und Raum sein künstlerisches Schaffen. 1950 wurde das ehemals privat genutzte Künstleratelier als öffentliche Institution – und erstes nach dem Krieg neugegründetes Museum – zugänglich gemacht. Bis heute strahlen die kubischen Backsteinbauten mit den deckenhohen Fenstern zum großzügigen Skulpturengarten den modernen Geist ihrer Entstehungszeit aus.
Als Grundstück für seinen geplanten Neubau erwarb Georg Kolbe im Mai 1928 ein ehemaliges Waldstück an der Sensburger Allee in Berlin-Westend. Grund für die Wahl dieses Ortes war die Nähe zum Friedhof Heerstraße, wo seine im Vorjahr mit 45 Jahren verstorbene Ehefrau Benjamine begraben liegt. Für Entwurf und Bau des neuen Wohn- und Atelierhauses wurde der aus Basel stammende Architekt Ernst Rentsch (1876–1952) engagiert, der seit längerem in Berlin tätig war. Kolbe kannte Rentsch, hatte ihn noch zwei Jahre zuvor, 1926, porträtiert. Während des Planungsprozesses griff der Bildhauer und Bauherr mehrfach in die architektonischen Entwürfe ein, um den idealen Schaffensort Raum werden zu lassen, von dem er eine konkrete Vorstellung hatte. Die Gebäude sollten sich funktional an seinen Arbeitsprozessen orientieren und zugleich die Skulpturen im architektonischen Zusammenhang und im Einklang mit der Natur besonders gut zur Geltung bringen. Der Gestaltungsprozess ist durch verschiedene kommentierte Baupläne dokumentiert, die sich heute im Georg Kolbe Museum befinden.
Im Juli 1928 reichte Rentsch die Pläne für Kolbes Atelierhaus beim Bauamt ein. Im Oktober stand der Rohbau und bereits im Januar 1929 konnte Georg Kolbe einziehen. Das Atelierhaus des Künstlers war ganz auf dessen Bedürfnisse zugeschnitten: Um ein lichtes, großes Bildhaueratelier gruppierten sich im hinteren Bereich des Hauses auf zwei Etagen kleine, schlichte Privaträume. Auf ein repräsentatives Wohnzimmer wurde zugunsten eines sogenannten Wohnateliers verzichtet, in dem unter hochliegenden Fenstern neben Bücherregalen und einem Sessel auch ein großer Zeichentisch stand. Das daran angrenzende Bildhaueratelier prägt vor allem seine lichte Gestaltung: Es öffnet sich mit hohen Fenstern zum Garten hin und verfügt über ein nahezu über die gesamte Deckenfläche reichendes Oberlicht. Das neben dem Atelierhaus erbaute zweite Gebäude wurde im Juni 1929 von Kolbes Tochter Leonore und ihrer Familie bezogen. Neben Wohnräumen beherbergte es auch ein Atelier für ihren Mann Kurt von Keudell, der sich als Maler betätigte.
Das Bedürfnis nach einem Atelier für Tonarbeiten brachte Georg Kolbe im Oktober 1930 dazu, sein Grundstück durch einen Zukauf zu erweitern. Im April 1932 reichte der Bauhausschüler Paul Linder einen Bauplan für den Atelierneubau ein, der zügig umgesetzt wurde. Auch in der Folgezeit gab es verschiedene kleinere Baumaßnahmen. So wurde die Arbeitsterrasse zwischen dem großen Atelier und dem Tonatelier 1933 seitlich durch eine Glaswand abgeschirmt und 1935 durch ein Glasdach ergänzt. Im selben Jahr wurde ein Stück des Gartens zum Skulpturenhof ausgebaut, der dem Bildhauer dazu diente, die Wirkung großer Plastiken im architektonischen Außenraum zu simulieren. Im selben Jahr wurde ein Balkon an die Südseite des Wohnhauses angebracht.
Nach Georg Kolbes Tod 1947 ging sein Atelierhaus in die Georg Kolbe-Stiftung ein, wie es der Bildhauer 1943 testamentarisch festgelegt hatte. 1950 eröffnete dort das Georg Kolbe Museum. In den 1970er-Jahren wurde das ehemalige Wohnhaus von Leonore und Kurt von Keudell durch die Deutschen Klassenlotterie zugunsten der Georg Kolbe Stiftung erworben und ist seitdem Teil des Museumskomplexes. Es beherbergt heute das nach Georg Kolbes Ehefrau Benjamine benannte Museumscafé sowie Arbeitsräume und die Bibliothek des Museums.
Nach den ersten beiden Jahrzehnten der Museumsnutzung zeigte sich, dass die Räumlichkeiten des ehemaligen Atelierhauses nicht mehr ausreichend Ausstellungsfläche boten. So wurde, durch die Berliner Architektengemeinschaft AGP*, ein dreigeschossiger Anbau realisiert. Um den nötigen Platz zu schaffen wurde das ehemalige Tonatelier von Paul Linder abgerissen, das Atelierhaus von 1928 blieb weitgehend erhalten. In seiner Gestaltung nimmt sich der Neubau durch klare Formen und die helle Fassade aus afrikanischem Sandstein zurück. Seit 1995 dient er als Ausstellungsfläche auf zwei Etagen und beherbergt zusätzlich ein dem modernen Museumsbetrieb angemessenes Depot und einen barrierearmen Zugang durch einen Aufzug.
Mitte der 2010er-Jahre wurde mit einer dringend notwendig gewordenen Grundsanierung des inzwischen fast 90 Jahre alten historischen Gebäudeensembles begonnen. Diese erfolgte in mehreren Etappen in den Jahren 2016-2021. Die Sanierung wurde anhand historischer Pläne mit dem auf Denkmalsaufgaben spezialisierten Architekturbüro Winfried Brenne durchgeführt und durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie und das Landesdenkmalamt Berlin ermöglicht. Seit 2021 erstrahlt das Museum samt Café und Garten in neuem Glanz, der den Originalcharakter des heute denkmalgeschützten Ensembles würdigt und nachhaltig betont.