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Architektur

In den späten 1920er-Jahren schuf sich der Bildhauer Georg Kolbe sein Atelier- und Wohnhaus im Berliner Westend, stadtnah und zugleich am Rande des Grunewalds. Sein neuer Rückzugs­ort sollte der fruchtbaren Verbindung von Kunst, Natur und Architektur Raum geben, die zeit­lebens große Bedeutung für ihn hatte. Durch seine Zusammen­arbeit mit Architekten wie Ludwig Mies van der Rohe, Hans Poelzig, Bruno Taut und Walter Gropius nahm Kolbe lebhaften Anteil am Diskurs um die moderne Architektur. Insbesondere prägte ein starkes Interesse an der Beziehung von Skulptur und Raum sein künstlerisches Schaffen. 1950 wurde das ehemals privat genutzte Künstleratelier als öffentliche Institution – und erstes nach dem Krieg neu­gegründetes Museum – zugänglich gemacht. Bis heute strahlen die kubischen Back­stein­bauten mit den decken­hohen Fenstern zum groß­zügigen Skulpturen­garten den modernen Geist ihrer Entstehungszeit aus.

1/6 Georg Kolbe und Paul Linder, 1935, Foto: unbekannt
1/6 Wohnatelier, 1930, Foto: Emil Leitner
1/6 Großes Atelier, um 1930, Foto: Emil Leitner
1/6 Blick in den Garten, um 1930, Foto: Emil Leitner
1/6 Wohn- und Atelierhaus, 1930, Foto: unbekannt
1/6 Skulpturenhof, 1950, Foto: Margit Schwartzkopff

Als Grundstück für seinen geplanten Neubau erwarb Georg Kolbe im Mai 1928 ein ehemaliges Waldstück an der Sensburger Allee in Berlin-Westend. Grund für die Wahl dieses Ortes war die Nähe zum Friedhof Heerstraße, wo seine im Vorjahr mit 45 Jahren verstorbene Ehefrau Benjamine begraben liegt. Für Entwurf und Bau des neuen Wohn- und Atelier­hauses wurde der aus Basel stammende Architekt Ernst Rentsch (1876–1952) engagiert, der seit längerem in Berlin tätig war. Kolbe kannte Rentsch, hatte ihn noch zwei Jahre zuvor, 1926, porträtiert. Während des Planungs­prozesses griff der Bildhauer und Bauherr mehrfach in die architektonischen Entwürfe ein, um den idealen Schaffens­ort Raum werden zu lassen, von dem er eine konkrete Vorstellung hatte. Die Gebäude sollten sich funktional an seinen Arbeits­prozessen orientieren und zugleich die Skulpturen im architektonischen Zusammenhang und im Einklang mit der Natur besonders gut zur Geltung bringen. Der Gestaltungs­prozess ist durch verschiedene kommentierte Baupläne dokumentiert, die sich heute im Georg Kolbe Museum befinden.

Im Juli 1928 reichte Rentsch die Pläne für Kolbes Atelierhaus beim Bauamt ein. Im Oktober stand der Rohbau und bereits im Januar 1929 konnte Georg Kolbe einziehen. Das Atelierhaus des Künstlers war ganz auf dessen Bedürfnisse zugeschnitten: Um ein lichtes, großes Bild­hauer­atelier gruppierten sich im hinteren Bereich des Hauses auf zwei Etagen kleine, schlichte Privaträume. Auf ein repräsentatives Wohnzimmer wurde zugunsten eines sogenannten Wohnateliers verzichtet, in dem unter hochliegenden Fenstern neben Bücherregalen und einem Sessel auch ein großer Zeichen­tisch stand. Das daran angrenzende Bild­hauer­atelier prägt vor allem seine lichte Gestaltung: Es öffnet sich mit hohen Fenstern zum Garten hin und verfügt über ein nahezu über die gesamte Deckenfläche reichendes Oberlicht. Das neben dem Atelier­haus erbaute zweite Gebäude wurde im Juni 1929 von Kolbes Tochter Leonore und ihrer Familie bezogen. Neben Wohn­räumen beherbergte es auch ein Atelier für ihren Mann Kurt von Keudell, der sich als Maler betätigte.

Das Bedürfnis nach einem Atelier für Ton­arbeiten brachte Georg Kolbe im Oktober 1930 dazu, sein Grund­stück durch einen Zukauf zu erweitern. Im April 1932 reichte der Bauhaus­schüler Paul Linder einen Bauplan für den Atelier­neu­bau ein, der zügig umgesetzt wurde. Auch in der Folgezeit gab es verschiedene kleinere Bau­maß­nahmen. So wurde die Arbeits­terrasse zwischen dem großen Atelier und dem Ton­atelier 1933 seitlich durch eine Glaswand abgeschirmt und 1935 durch ein Glasdach ergänzt. Im selben Jahr wurde ein Stück des Gartens zum Skulpturenhof ausgebaut, der dem Bildhauer dazu diente, die Wirkung großer Plastiken im architektonischen Außenraum zu simulieren. Im selben Jahr wurde ein Balkon an die Südseite des Wohnhauses angebracht.

Nach Georg Kolbes Tod 1947 ging sein Atelierhaus in die Georg Kolbe-Stiftung ein, wie es der Bildhauer 1943 testamentarisch festgelegt hatte. 1950 eröffnete dort das Georg Kolbe Museum. In den 1970er-Jahren wurde das ehemalige Wohnhaus von Leonore und Kurt von Keudell durch die Deutschen Klassen­lotterie zugunsten der Georg Kolbe Stiftung erworben und ist seitdem Teil des Museums­komplexes. Es beherbergt heute das nach Georg Kolbes Ehefrau Benjamine benannte Museums­café sowie Arbeits­räume und die Bibliothek des Museums.

Nach den ersten beiden Jahrzehnten der Museums­nutzung zeigte sich, dass die Räumlich­keiten des ehemaligen Atelierhauses nicht mehr ausreichend Ausstellungsfläche boten. So wurde, durch die Berliner Architekten­gemein­schaft AGP*, ein drei­geschos­siger Anbau realisiert. Um den nötigen Platz zu schaffen wurde das ehemalige Tonatelier von Paul Linder abgerissen, das Atelierhaus von 1928 blieb weitgehend erhalten. In seiner Gestaltung nimmt sich der Neubau durch klare Formen und die helle Fassade aus afrikanischem Sandstein zurück. Seit 1995 dient er als Ausstellungs­fläche auf zwei Etagen und beherbergt zusätzlich ein dem modernen Museums­betrieb angemessenes Depot und einen barriere­armen Zugang durch einen Aufzug.

Mitte der 2010er-Jahre wurde mit einer dringend notwendig gewordenen Grund­sanierung des inzwischen fast 90 Jahre alten historischen Gebäude­ensembles begonnen. Diese erfolgte in mehreren Etappen in den Jahren 2016-2021. Die Sanierung wurde anhand historischer Pläne mit dem auf Denkmals­aufgaben speziali­sierten Architektur­büro Winfried Brenne durchgeführt und durch die Stiftung Deutsche Klassen­lotterie und das Landes­denk­mal­amt Berlin ermöglicht. Seit 2021 erstrahlt das Museum samt Café und Garten in neuem Glanz, der den Original­charakter des heute denk­mal­geschützten Ensembles würdigt und nachhaltig betont.