William Wauer und der Berliner Kubismus

Die plastischen Künste um 1920

10. April 2011 – 19. Juni 2011

1/4
1/4 Fotos: Marcus Schneider
1/4
1/4

„Der Berliner Bildhauer William Wauer hat als Erster in Europa die reine kubistische Plastik geschaffen.“ (Rudolf Blümner, 1921)

Im Zentrum der Ausstellung steht das plastische Werk des Berliner Künstlers William Wauer (1866-1962). Er trat ab 1916 in Herwarth Waldens legendärer Avantgarde-Galerie „Der Sturm“ in der Potsdamer Straße als Bildhauer und Maler in Erscheinung, nachdem er vorher unter anderem erfolgreich als Theater- und Filmregisseur gearbeitet hatte. Seine Skulpturen zeichnen sich durch eine kantig-geometrisierte Abstraktion aus und führten insbesondere im Bereich der Porträtplastik zu einer völlig neuen Ausdrucksform. Sein berühmtestes Werk, die Büste von Herwarth Walden, ist zu einem Inbegriff formaler Radikalität der deutschen Moderne geworden. 1937 wurden Wauers Werke als „entartet“ diffamiert. Neben den Porträts schuf er eine größere Anzahl Figuren, die im Sinne einer „rhythmisch gebändigten Dynamik“ (Wauer) von raumgreifenden Bewegungslinien durchzogen sind und bis heute ihre formale Aktualität erhalten haben.

Berlin war in den Jahren vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg ein internationaler Knotenpunkt der Moderne, in dem sich unterschiedliche Strömungen und Stilformen manifestierten und gegenseitig überlagerten. Die Ausstellung „William Wauer und der Berliner Kubismus“ untersucht die bislang wenig beachteten Einflüsse des Kubismus auf die Bildhauerei der späten Kaiserzeit und Weimarer Republik. Die bewusst plakativ gewählte Begriffsneuschöpfung „Berliner Kubismus“ dient der Aufdeckung und Sichtbarmachung von Tendenzen, die hierzulande bislang nahezu vollständig unter dem Begriff des „Expressionismus“ verborgen waren oder von ihm vereinnahmt wurden. Der französische Kubismus lieferte für die Bildhauerei die wesentlichen Impulse für eine geometrisierte Reduktion der Körper auf die Grundformen Kubus, Zylinder, Konus und Pyramide. Doch dies ist nur ein Aspekt. Entscheidend war bei der Übertragung der kubistischen Mittel von der Malerei auf die Bildhauerei auch ein neuartiges Raumverständnis in Hinblick auf eine vollplastische Entfaltung und Durchdringung von Flächen, Massen und Umraum. Das „Kubische“, wie es im deutschen Kunstgespräch bereits im Zusammenhang archaischer und außereuropäischer Skulptur behandelt wurde, war für die avantgardistische Bildhauerei der Epoche ein wesentlicher formaler Bezugspunkt.

In diesem Sinne hat der „Sturm“-Mitarbeiter Rudolf Blümner in seinem 1921 erschienen Buch „Der Geist des Kubismus und die Künste“ William Wauer sogar eine Vorreiterrolle bei der Formulierung der kubistischen Skulptur eingeräumt. Dies ist kunsthistorisch zwar nicht korrekt, doch dokumentiert eine solche Einschätzung den zeitgenössischen Blickwinkel, der sich auch auf andere Künstler der Epoche übertragen lässt. Dies betrifft vor allem die Werke des in Berlin geborenen Rudolf Belling sowie die des ukrainischen Bildhauers Alexander Archipenko, der in Paris als einer der ersten Künstler die formalen Neuerungen des Kubismus aufgriff und seit 1913 von Herwarth Walden mehrmals im „Sturm“ ausgestellt wurde. Von 1921 bis 1923 lebte er in Berlin, bevor er in die USA auswanderte. Auch Edwin Scharff erfuhr in Paris die wesentlichen künstlerischen Einflüsse und wandelte sich danach von einem kubistischen Maler zu einem kubistischen Bildhauer. Kubistische Einflüsse lassen sich weiterhin in den Werken von Oswald Herzog, Johannes Itten, Otto Freundlich, Herbert Garbe, Katharina Heise, Walter Kampmann, Georg Kolbe, Georg Leschnitzer, Marg Moll, Emy Roeder, Richard Scheibe, Kurt Schwitters, Hans Uhlmann, Jenny Wiegmann-Mucchi sowie bei den auch plastisch arbeitenden Architekten Walter Gropius, Max Taut und Wassili Luckhardt nachweisen.

Viele avantgardistische Skulpturen aus dieser Zeit haben den Bildsturm der Nationalsozialisten sowie die Zerstörung des Zweiten Weltkriegs nicht überstanden und sind nur noch in Fotografien erhalten. Neben Skulpturen werden deshalb auch Bildtafeln den Besucher in die Formenwelt des „Berliner Kubismus“ einführen.

Mit freundlicher Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung.

In Kooperation mit dem Edwin Scharff Museum Neu-Ulm.

 

 

AUSGEWÄHLTE PRESSESTIMMEN

tip
„Herausragend: Erstmals werden die Skulpturen des Berliner Kubismus in eine beeindruckenden Ausstellung vorgestellt. … Die Exponate wirken sehr gegenwärtig in ihrer Reduktion der Körper auf geometrische Grundformen wie Kubus und Zylinder.“ (Martina Jammers, 26. Mai 1011)

F.A.Z.
„Berliner zeigt den Tausendsassa William Wauer. Fasziniert von dem Charakterkopf seines Mentors Herwarth Walden, dessen ‚Sturm‘ er nahe stand, modelliert der vielseitig begabte William Wauer 1917 eine kubistisch inspirierte B&uumLste, die gegenwärtig im Berliner Georg-Kolbe-Museum das Zentrum einer Rückschau auf die ‚Plastischen Künste um 1920‘ bildet“ (Camilla Blechen, 27. Mai 2011)

Tagesspiegel
„Was für ein Leben. Die Karrieren, die William Wauer begonnen und dann wieder abgebrochen hat, würden gleich für mehrere Biografien reichen. […] Im Berliner Georg-Kolbe-Museum, das die erste Wauer-Ausstellung seit mehr als 30 Jahren zeigt, wird der Besucher nun gleich am Eingang vom Walden-Kopf und drei anderen damals kurz nacheinander entstandenen ‚Monumentalbüsten‘ begrüßt […]. Der Titel ist zugleich die These, der Versuch, Tendenzen im Werk einer ganzen Gruppe von Bildhauern unter dem Rubrum ‚Berliner Kubismus‘ zusammenzufassen.“ (Christian Schröder, 24./25. April 2011)

Berliner Zeitung
„Herwarth Waldens Sturmfrisur: Das Bronzeporträt von 1917, das … jetzt im Mittelpunkt einer exzellenten Schau des Georg-Kolbe-Museums über Wauer und den Berliner Kubismus steht, zeigt einen martialischen Charakterkopf. Fast hat er ein wenig Ähnlichkeit mit Darth Vader aus der George-Lucas-Reihe ‚Star Wars‘. Doch dieser Bronzekopf war Kubismus in seiner konsequentesten Form“ (Ingeborg Ruthe, 19. April 2001)

Neues Deutschland
„Synthese der Avantgarden: Bei William Wauer, diesem Pionier avantgardistischer Kunst, wie bei den anderen Bildhauern dieser Jahre sind immer kubistische mit anderen Elementen verbunden. Es ist eine Synthese von unterschiedlichen avantgardistischen Stilrichtungen – und das gerade macht die Faszination dieser sowohl bekannten (Alexander Archipenko, Rudolf Belling, Georg Kolbe, Edwin Scharff, Richard Scheibe) als auch weitgehend unbekannten Bildhauer um 1920 (Katharina Heise, Oswald Herzog, Marg Moll u.a.) aus.“ (Klaus Hammer, 19. April 2011)

Morgenpost
„Die sehenswerte Schau ‚William Wauer und der Berliner Kubismus‘ beweist […]: Auch Berlin war um 1920 ein Zentrum des Kubismus und eben nicht nur Paris. Dies veranschaulicht eindrucksvoll diese thematische Ausstellung, die Wellmann über diese bisher wenig beachtete Phase erarbeitet hat – mit Wauer im Zentrum , der in der Rezeptionsgeschichte bisher ein Schattendasein führte.“ (Andrea Hilgenstock, 28. April 2011)

taz
„Einmal mehr hat sich das Bildhauermuseum eines vergessenen Künstlers unter den Modernen angenommen und stellt Wauer zusammen mit berühmteren Zeitgenossen aus, wie Alexander Archipenko und Rudolf Belling. Das Anliegen des Kurators Marc Wellmann ist dabei, Verbindungen zwischen Expressionismus und Kubismus aufzuzeigen und Impulse herauszustellen, die von der damaligen Berliner Kunstszene ausgesandt wurden und in die internationale Moderne eingingen.“ (Katrin Bettina Müller, 4. Mai 2011)

kultiversum + Video
„Das Multitalent der 1920er Jahre galt als Vollender des deutschen Kubismus. Nicht ohne Grund, wie eine beeindruckende Skulpturen-Ausstellung im Georg-Kolbe-Museum zeigt.“ (Oliver Heilwagen, 3. Mai 2011)

Oranienburger Generalanzeiger
„Unter dem Titel ‚William Wauer und der Berliner Kubismus – Die plastischen Künste um 1920‘ unternimmt das Berliner Georg-Kolbe-Museum den Versuch, die bislang wenig beachteten Einflüsse des Kubismus auf die Bildhauerei der späten Kaiserzeit und der Weimarer Republik zu untersuchen. Wilhelm Wauer wird zur Leitfigur erklärt. Ihm gegenüber gestellt sind Skulpturen anderer in Berlin lebender Bildhauer, die sich damals ähnlich wie Wauer mit dem Kubismus auseinandersetzten.“ (Albert Jaritz, 5. Mai 2011)

Museumsportal
„Im schönen Hauptraum des Museums, dem früheren Atelier Georg Kolbes, sind Plastiken von Alexander Archipenko, Rudolf Belling, Georg Kolbe, Emy Roeder, aber auch von weniger bekannten Künstlern wie Marg Moll oder Oswald Herzog versammelt, die zeigen, wie die Bildhauer zu einer neuen Auffassung der Figur kamen.“ (Annette Meier, Mai 2011)